Einbeck/Northeim (red). Vier Wochen lang verbrachten Kinder aus der Region um Tschernobyl ihre Ferien bei Gastfamilien aus dem Kirchenkreis Leine-Solling. Mehr als 30 Kinder zwischen einem und 17 Jahren, einige der jüngsten sogar mit ihren Müttern und viele bereits zum zweiten Mal, waren in Deutschland zu Gast, um sich in erster Linie zu erholen und nebenbei Kultur, Land und Leute kennenzulernen.
Seit 1991 gibt es die Aktion der Landeskirche, seit mehr als 20 Jahren ist Cornelia Jäger aus Northeim dabei, die die Kinderfreizeit im Kirchenkreis gemeinsam mit Birgit Somnik, Jassi Stenzel, Sabine Blumberg, Katja Opolka und Ute König organisiert. Am Sonntagnachmittag fand nun die offizielle Verabschiedung der Kinder aus Gomel statt. Familie Rohmeyer in Markoldendorf hatte ihr Zuhause für ein Abschiedsfest zur Verfügung gestellt. „Alle Gastfamilien kamen mit ihren gut erholten und fröhlichen Kindern vorbei. Sie steuerten Süßes und Deftiges zum Buffet bei und schwelgten in Erinnerungen“, beschreibt die stellvertretende Superintendentin Johanna Hesse. Sie dankte Cornelia Jäger und ihrem Team mit einem Blumenstrauß für die hervorragende Organisation. „Herzlichen Dank allen Beteiligten für ihr großes Engagement und die schöne Zeit, die viel zu schnell vorbeiging“, gab Jäger das Lob gleich weiter. Die Kinder dankten für diese schönen Erinnerungen auf ihre Art: Sie sangen unter der Leitung ihrer Dolmetscherin ein Lied. Zwei Mädchen tanzten sogar das „Fliegerlied“ und gaben noch eine Zugabe.
„Für die Kinder wirkt sich der vierwöchige Besuch hier nachweislich positiv auf ihre Gesundheit aus“, hatte Superintendent Jan von Lingen bereits bei der Begrüßung betont. Und das wurde am Sonntag deutlich. „Hinzu kommt die Freude über all die Möglichkeiten, die sich hier bieten, vom Schwimmbad-, Freizeitpark- oder Zoobesuch bis hin zur einfachen Fahrradtour, die zum Erlebnis wird“, schilderten die Gasteltern. So sprachen alle schon vom nächsten Jahr und trafen Verabredungen.
Im April 1986 ereignete sich im Kernkraftwerk Tschernobyl die unvorstellbare Katastrophe. Radioaktivität wurde freigesetzt und bedrohte nicht nur die damalige Sowjetunion, sondern alle angrenzenden Länder bis nach Westeuropa. Die Stadt Prypjat wurde evakuiert und ist heute eine Geisterstadt, die selbst apokalyptische Computerspielwelten in den Schatten stellt. Menschen, die damals dachten, sie könnten eines Tages in ihre Heimat zurückkehren wurden umgesiedelt und leiden zum Teil bis heute an den Spätfolgen wie einem stark erhöhten Risiko von Krebserkrankungen. Auch die Region um die weißrussische Stadt Gomel, aus der die Kinder stammen, gilt als eines der am meisten kontaminierten Gebiete.
Seit Beginn der Kinderfreizeiten nahmen landeskirchenweit mehr als 28 000 Kinder daran teil und nicht selten entwickelten sich enge Freundschaften, die die Zeit überdauerten und im Privaten auch mit Gegenbesuchen fortgesetzt wurden. Dass dabei aufgrund der Sprachbarriere oft mit Händen und Füßen kommuniziert werden muss, stört niemanden. Zu wertvoll sind die Erfahrungen, die bei diesem kulturellen Austausch auf beiden Seiten gemacht werden. Wer Lust dazu hat, auch einmal als Gasteltern mit zu machen, kann sich bei Cornelia Jäger unter Tel. 0170/ 80 70 620 oder der Superintendentur, Tel. 05551/91 16 37 melden.
Foto: Privat / Leine-Solling