Northeim (red). Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen ist ein ernstes Problem – und Prävention daher von großer Bedeutung. Vom 3. bis 21. November 2025 wird dieses Thema in der Familienberatungsstelle des Landkreises Northeim mit der Wanderausstellung „Echt krass“ des Petze-Instituts Kiel aufgegriffen. Die Ausstellung richtet sich speziell an Jugendliche und wird durch ein Rahmenprogramm mit einer begleitenden Fortbildung für pädagogische Fachkräfte ergänzt. Sie sensibilisiert für Grenzverletzungen, macht unterschiedliche Formen sexueller Gewalt sichtbar und zeigt Wege der Prävention auf. Schulen können ganze Klassen anmelden.
Sexuelle Grenzverletzungen gehören für viele Jugendliche leider zum Alltag – sei es auf dem Schulhof, im Schwimmbad, in der Clique oder über soziale Medien. Verbale, körperliche oder digitale Übergriffe sind weit verbreitet und häufig so normalisiert, dass sie von Betroffenen kaum noch wahrgenommen werden.
Die Formen sind vielfältig: abwertende Sprüche, Beleidigungen, Gerüchte über sexuelle Handlungen oder das unerlaubte Teilen intimer Fotos. Auch körperliche Übergriffe wie unerwünschtes Berühren, Küssen oder gar Zwang zum Geschlechtsverkehr sind keine Seltenheit. Selbst das Beobachten solcher Vorfälle kann Jugendliche erheblich belasten.
Eine Studie der Universitäten Marburg und Gießen aus dem Jahr 2016 verdeutlicht das Ausmaß: Fast die Hälfte der befragten Neunt- und Zehntklässler berichtete von nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt, ein Viertel von körperlicher. Meist stammten die Täterinnen und Täter aus dem näheren Umfeld und waren etwa gleich alt. Besonders alarmierend sind die aktuellen Zahlen der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): Zwischen 2018 und 2022 hat sich die Zahl minderjähriger Tatverdächtiger im Zusammenhang mit kinderpornografischem Material von 1.373 auf 17.549 Fälle verzwölffacht.
Die Ursachen liegen oft in einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren: eigene Gewalterfahrungen, geringes Selbstwertgefühl oder belastende Familienverhältnisse. Hinzu kommen gesellschaftliche Einflüsse, etwa starre Geschlechterrollen oder stereotype Vorstellungen von Sexualität, die durch Pornografie und soziale Medien verstärkt werden. Gerade bei männlichen Jugendlichen stellt das Bild einer dominanten Männlichkeit, wie es in diesen Kanälen häufig vermittelt wird, einen Risikofaktor dar.
Die Folgen für Betroffene sind schwerwiegend: Scham, Ängste, Misstrauen und seelischer Druck können Monate oder Jahre anhalten. Bei schweren Übergriffen treten Spätfolgen oft erst im Erwachsenenalter zutage. Prävention setzt deshalb früh an: Jugendliche sollen lernen, Grenzverletzungen zu erkennen, sich zu wehren und Hilfe zu holen. Ebenso wichtig ist die Vermittlung gewaltfreier Annäherung und der Respekt vor der sexuellen Selbstbestimmung anderer.
Auch Eltern und pädagogische Fachkräfte tragen Verantwortung. Sie sollten aufmerksam beobachten, zwischen jugendlichem Experimentieren und tatsächlichen Übergriffen unterscheiden und klare Grenzen ziehen. Oft werden Grenzverletzungen bagatellisiert – hier setzt die Ausstellung mit Aufklärung, Haltung und Einbindung Erwachsener an.