Northeim (red). Der Welt-Tag des Babys ist ein Grund für die Frühen Hilfen im Landkreis Northeim, uns den kleinen Erdenbürgern zu widmen. Am heutigen Tag alle Babys unabhängig von ihrem Geburtstag gefeiert!
Und plötzlich gehen auf Schritt und Tritt, zwei winzig kleine Füße mit
Wenn das Baby da ist, steht für Eltern die Welt erst einmal still. Beginnt sie sich wieder zu drehen, ist der Alltag ein anderer geworden. Die ersten Wochen als Familie sind meist geprägt vom Wechsel zwischen Glück und Phasen der Verunsicherung und Sorgen. Beides gehört dazu und das sollten Eltern als normal annehmen.
Das 1. Lebensjahr - Turbomodus der kindlichen Entwicklung
Die Entwicklung des Babys in den ersten 12 Lebensmonaten verläuft rasant und ist für Eltern eine ganz besonders aufregende Zeit. Zunächst Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat lernt das Baby etwas mehr: Trinken, Schlafen, das erste richtige Lächeln, das erste Mal krabbeln, die erste feste Mahlzeit, das erste Wort. Gerade beim ersten Kind haben Eltern viele Fragen. Dann hilft meist eine Hebamme, die zu allen Themen rund um das Baby beraten und Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt begleiten kann. Dabei stellt besonders die Ernährung und das Schlaf- und Schreiverhalten der Babys Eltern manchmal vor große Herausforderungen.
Was ist richtig, wichtig, falsch? Unsicherheit durch Informationsflut
Eltern wollen alles richtig machen – das Richtige ist aber schwer zu erkennen, auch deshalb, weil ihnen unzählige Quellen zur Verfügung stehen, die vermeintlich sagen, wie es geht. Man schätzt, dass es derzeit etwa 10.000 Elternratgeber gibt. Und dann sind da ja noch Blogs und Chats, Freunde und Eltern. Unzählige Möglichkeiten der Information – und trotzdem (oder gerade deswegen!) ist die aktuelle Elterngeneration laut Experten stark verunsichert.
Eine Arbeitsgruppe der Frühen Hilfen im Landkreis Northeim widmet sich seit einiger Zeit dem Schreiverhaltens von Babys und dessen Einfluss auf die elterliche Belastbarkeit. Die Arbeitsgruppe besteht aus Akteuren unterschiedlicher Fachberufe, um die Interessen der Familien möglichst vielseitig zu betrachten.
Anlässlich des heutigen Tages greifen zwei Vertreterinnen dieser Fachgruppe das Thema auf, informieren über Entlastungsmöglichkeiten und Unterstützungsangebote im Landkreis und berichten über das gefährliche Schütteltrauma.
Ingrid Lohmann vertritt die freiberuflichen Hebammen und kennt die häusliche Situation junger Eltern seit 42 Jahren.
Schreien als wichtigster Ausdruck des Säuglings
Schreien gehört zu den wichtigsten Ausdrucksmitteln des Säuglings. Dabei verläuft das Schreiverhalten in den ersten drei Lebensmonaten bei allen Säuglingen ähnlich. Wie häufig, ausdauernd und laut Babys schreien, ist jedoch von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. In der Regel nimmt das Schreien in den ersten beiden Lebensmonaten zu und erreicht meist in der sechsten Lebenswoche seinen Höhepunkt. Denn das Baby ist dabei, einen Rhythmus zwischen Schlafen und Wachsein zu lernen, und das klappt nicht immer auf Anhieb. In der Regel geht die Schreiphase ab dem 4 Monat vorbei.
In den ersten drei Monaten schreit ein Kind meist, weil es
- hungrig ist
- eine frische Windel braucht
- müde ist und nicht zur Ruhe findet
- Zuwendung möchte
- sich körperlich unwohl fühlt, z.B. ein Bäuerchen drückt oder der Darm, etwas kneift, es kalt oder warm ist
- sich allein fühlt, verunsichert ist oder direkt Angst hat
- unter Nachwirkungen der Geburt leidet, wie Kopfschmerzen oder Schulter/Nackenverspannungen
Mit der Zeit lässt sich am Ton und der Intensität des Schreiens erkennen, um welche Probleme es sich handelt. Die begleitenden Bewegungen und Gesten des Babys helfen, es zu verstehen. Am Anfang hilft die Hebamme wie eine Übersetzerin, denn die Eltern erkennen die Signale erst mit der Zeit, wenn sie keine Erfahrungen mit Babys haben. Dabei verhält sich ein Neugeborenes auch anders als ein älteres Baby.
Die meisten Eltern interpretieren das Schreien eines Säuglings als Hungerzeichen. Ist das Kind gerade gefüttert worden, dann wird Bauchweh vermutet. Diese Erklärungen sind zu eng gefasst und stellen Eltern vor die Herausforderung, auch die anderen oben erwähnten Gründe für das Schreien ernst zu nehmen. Aber auch Situationen, in denen jede Bedürfnisbefriedigung erfolgt ist, schreien Babys manchmal weiter.
Die Bedürfnisse des Babys „lesen“ und „verstehen“ lernen
Für Eltern ist es nicht immer leicht zu erkennen, was das Baby jetzt gerade braucht. Christina Boeder, Kleinkindpädagogin, arbeitet seit vielen Jahren mit Eltern und ihren Babys zusammen. Nach ihrem Verständnis ist es wichtig, dass Eltern ihre Babys verstehen und „lesen“ lernen.
Für einen Säugling sind die Möglichkeiten, seine Bedürfnisse und Empfindungen mitzuteilen noch recht beschränkt. Es nutzt seine Gesichtsmimik, seine Motorik und seine Stimme, um etwas über seine innere Verfassung mitzuteilen.
Alle Eltern müssen zu Beginn erst einmal die ganz persönliche Sprache ihres Babys kennenlernen. Das braucht einige Zeit der Anpassung. Aber schon nach wenigen Wochen erkennen viele Eltern ziemlich deutlich die Unterschiede zwischen einem hungrigen Quengeln, Müdigkeit, Langeweile oder einem Bedürfnis nach Nähe. So meinen fast alle Eltern, dass ein zufriedenes Baby eigentlich nicht weinen muss, wenn sie sich nur genug um das Baby bemühen und seine Bedürfnisse korrekt erfüllen.
Aber auch das Weinen gehört zur Ausdruckssprache eines Babys, überall auf der Welt. Alle Eltern wissen, wie nervenaufreibend es sein kann, einen weinenden Säugling zu begleiten.
Eltern hilft es erst einmal, zu verstehen, dass es nicht immer das Ziel ist, ein jederzeit glückliches Baby zu haben. Und auf keinen Fall ist es ein Zeichen von Unfähigkeit der Eltern, wenn ein Baby viel weint.
Weinen als Ventil der Verarbeitung des Alltages
Es gibt neben dem reinen Bedürfnisweinen (Hunger, Nähe, Müdigkeit, Langeweile) auch ein sogenanntes Verarbeitungsweinen. Das kann einerseits mit einer Überstimulation direkt aus dem Tageserleben zusammenhängen oder aber auch mit einem noch nicht verarbeiteten Erlebnis aus der Vergangenheit, beispielsweise der schwierigen Geburt oder einem Krankenhausaufenthalt mit Trennung. Manchmal ist es auch eine Mischung aus mehreren Ursachen.
Wir als Erwachsene können uns das so vorstellen. Wir haben etwas Stressiges erlebt, sind vielleicht von unseren Gefühlen überwältigt. Was tut uns dann gut? Ein mitfühlendes Gegenüber, der einfach da ist, uns vielleicht in den Arm nimmt und zuhört. Wir brauchen in dieser emotionalen Situation keine Ratschläge und auch niemanden, der selbst aus lauter Mitleid verzweifelt.
Uns so geht es dem weinenden Baby. Es braucht eine präsente Begleitperson, die Ruhe und Sicherheit vermittelt. Der Säugling kann sein überlastetes Nervensystem noch nicht alleine regulieren.
Nun fragen sich sicher einige Eltern, wie man gelassen sein soll, wenn das geliebte Baby schon seit Stunden unruhig ist und schreit? Eltern versuchen in der Regel krampfhaft eine Lösung zu finden, damit es dem Baby wieder gut geht. Und darin liegt für das Empfinden des Babys schon ein großes Problem. Denn, sind wir als Eltern mit unserem Kopf auf Lösungssuche, so sind wir für unser Baby nicht spürbar, nicht präsent. Es genügt ihm nicht auf dem Arm der Bezugsperson zu sein, wenn diese so im Kopf beschäftigt ist. Sie fühlen sich alleine und überfordert.
Um also ein guter Begleiter bei einem Verarbeitungsweinen des Babys sein zu können, ist es für die Eltern wichtig, nicht außer sich zu geraten, sondern mit sich selbst in Verbindung zu bleiben. Das kann gelingen, indem man sich beispielsweise auf seine Atmung konzentriert und versucht, tief in den Bauch zu atmen. Das Baby kann zu der Zeit auf der Brust gehalten werden. Dem vegetativen Nervensystem wird so vermittelt, ich bin ruhig und entspannt. Und das merkt das Baby unmittelbar. Es bekommt wieder das Gefühl von Verbundenheit und Gehaltenwerden. Das kann dazu führen, dass sich das Baby so sicher fühlt, dass es seine „Geschichte“, die es zu verarbeiten hat, nun mitteilen kann. Es führt somit zu einem auflösenden, bereinigenden und verarbeitenden Weinen.
Gute Eltern sind nicht nur die, deren Babys nicht weinen, sondern auch die, die Ihre Babys gut im Weinen begleiten können.
Dafür ist es hilfreich, in sich hinein zu spüren, um festzustellen, in welchem Gefühlszustand man gerade ist, wenn mein Baby weint. Kommen alte Gefühle von Ohnmacht auf, vielleicht von der Geburt oder sogar aus meiner Kindheit? Durch das entstehende eigene Stresserleben kann es dann schwierig werden, dem Kind ein guter Weinbegleiter zu sein.
In diesem Fall kann es hilfreich sein, sich Unterstützung zu holen, um alte und neue Gefühle besser einordnen zu können. Es geht dann darum, die Stressspirale mit dem Baby durchbrechen zu können.
Warum Schütteln so gefährlich ist?
Was ist aber nun mit Babys, die untröstlich weinen und seine Eltern an den Rand der Belastbarkeit oder im schlimmsten Fall darüber hinaus, bringen?
Als Grundsatz gilt: Schütteln Sie Ihr Kind niemals, und weisen Sie auch andere Betreuungspersonen Ihres Kindes auf die Gefährlichkeit hin.
Das Gehirn eines kleinen Kindes - und das gilt nicht nur für Säuglinge, sondern auch noch im Kleinkindalter – ist sehr zart und verletzlich. Die Nackenmuskulatur des kleinen Kindes ist zudem noch schwach, und der Kopf macht bei Babys noch einen großen Teil ihres Körpergewichts aus.
Hierdurch können Blutgefäße und Nervenbahnen im Gehirn reißen, und es kann zu bleibenden Schäden kommen wie z.B. schwere bis sehr schwere Entwicklungsstörungen mit Seh-, Hör- oder Sprachstörungen, körperliche und geistige Behinderungen, Verhaltensstörungen und Krampfleiden. Die Verletzungen können so schwerwiegend sein, dass sie sogar zum Tod des Kindes führen können.
Bevor der Kragen platzt - das kann helfen:
Wenn Sie merken, dass Sie die Beherrschung verlieren, können folgende Maßnahmen helfen:
- Legen Sie Ihr Kind an einen sicheren Ort (z.B. Gitterbett oder auf den Boden).
- Verlassen Sie den Raum.
- Atmen Sie durch.
- Schauen Sie alle paar Minuten nach Ihrem Kind.
- Holen Sie sich, wenn nötig Unterstützung.
Eltern mit Schreibabys erhalten Hilfe und Unterstützung im Landkreis Northeim
Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Kind schreit über das normale Maß hinaus oder Sie sind durch das Schreien des Kindes belastet, nehmen Sie zunächst Kontakt zu Ihrer kinderärztlichen Praxis auf. Hier kann abgeklärt werden, ob es andere Gründe (z. B. organische Ursachen) für das Babygeschrei gibt oder aber diagnostizieren, ob Sie ein Schreikind haben. Können organische Ursachen ausgeschlossen werden, sollten Sie mit ihrer Hebamme über die Belastung sprechen.
Hebammen helfen jungen Eltern im häuslichen Umfeld beim Umgang mit ihrem Baby. Sie können erkennen, ob es Probleme mit der Ernährung oder der Pflege gibt. Sie geben reichlich Tipps zum Handling des Babys und den Bedürfnissen von Säuglingen und helfen, diese praxisnah zu erfüllen. Sie können die Eltern über längere Zeit beim Erlernen ihrer Elternrolle begleiten, wenn das notwendig und gewünscht ist. Als Teil des Netzwerks Frühe Hilfen können sie weitere Hilfsangebote empfehlen.
Spezielle Angebote für Eltern mit Schreibabys im Landkreis Northeim
Führen diese Maßnahmen nicht zu einem Erfolg, gibt es die Möglichkeit, eine Emotionelle Erste Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Emotionelle Erste Hilfe ist eine bindungs-und körperorientierte Kurzzeit-Therapie für Eltern, Babys und Kleinkinder in emotionellen Krisen nach der Geburt. Im ersten Schritt wird die Lebensgeschichte des Babys vor, während und nach der Geburt gemeinsam mit den Eltern betrachtet. Oft lässt sich daraus bereits eine Erklärung ableiten, warum ihr Baby das Schreien als Verhalten entwickelt hat. Dadurch können Eltern ihr Baby meist besser verstehen und fühlen sich dem Schreien ihres Babys nicht mehr so hilflos ausgeliefert. Das Verständnis setzt neue Energien frei, um gemeinsam mit den Eltern Methoden zu entwickeln, wie sie die Bedürfnisse ihres Babys besser erkennen und sein Schreien als Signal verstehen können.
Informationen zu der Emotionellen Ersten Hilfe sowie zu weiteren Unterstützungsangeboten erhalten Sie bei der Anlaufstelle Frühe Hilfen unter der Tel. 05551 908 26 42 (E-Mail:
Was sind „Frühe Hilfen“ eigentlich?
Frühe Hilfen sind Angebote für Eltern ab der Schwangerschaft und Familien mit Kindern bis drei Jahre. Sie sind niedrigschwellig und richten sich besonders an Familien in belastenden Lebenslagen. Fachkräfte in den Anlaufstellen vermitteln Müttern und Vätern die Hilfen, die sie brauchen. Die Anlaufstelle Frühe Hilfen im Landkreis Northeim berät Sie gern (Tel. 05551 908 2642 oder unter E-Mail
Weitere Informationen zu den Frühen Hilfen erhalten Sie auch unter www.landkreis-northeim.de/fruehehilfen.
Foto: lpd