Northeim (r). Für vier Real- und Hauptschulklassen der Oberschule Northeim stand am 13. und 14. November Speeddating auf dem Stundenplan. Die unkonventionelle Kontaktmethode richtet sich normalerweise an Singles auf Partnersuche. In diesem Fall saßen jeweils drei Gruppen von Schüler/-innen abwechselnd Profis aus unterschiedlichen Branchen gegenüber. Darunter waren der Obermeister der Kfz-Innung Northeim Ernst-August Bethel und Inhaber des gleichnamigen Autohauses, Thomas Maxellon, Ausbildungsplatzmatcher der Handwerkskammer und Leiter der Seniorenresidenz Stiemerling Heinz Ameely-Geffers. Nach drei Minuten hieß es dann: „Der Nächste, bitte.“ Das kurzweilige Format bot eine gute Grundlage, um miteinander ins Gespräch zu kommen und die Jugendlichen bei ihren ersten Schritten ins Arbeitsleben zu unterstützen.
Berührungsängste abbauen Die teilnehmenden Schüler*innen standen kurz vor ihrem zweiwöchigen Betriebspraktikum. Nicht jeder von ihnen hat seinen Praktikumsplatz bereits sicher. Daher war auch ein inszeniertes Vorstellungsgespräch Teil des Programms. „Das Projekt hat mir geholfen Ängste abzubauen. Vorher hatte ich Angst etwas falsch zu machen und im Praktikum oder später in der Ausbildung nicht gut zu sein. Ich hatte ja auch noch nie ein Bewerbungsgespräch. Die Übungen und die Gespräche mit den Personalverantwortlichen waren aber gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt eine 14-jährige Schülerin, die den Mut aufbrachte, sich der Situation zu stellen.
Auch wenn der Zulauf an Bewerbern im Kfz-Gewerbe im Vergleich zu anderen Handwerken noch relativ stark sei, gebe es vor allem in ländlichen Regionen einen deutlichen Rückgang, weiß Obermeister Ernst-August Bethel, der seit 37 Jahren Lehrlinge ausbildet. „Wir müssen auf die Jugendlichen zugehen und die enorme Vielfalt im Handwerk erlebbar machen. Die geeignetsten Bewerber sind nicht immer die mit den besten Noten. Und wenn es in der Berufsschule mal Probleme gibt, dann müssen wir mehr individuelle Hilfestellung leisten. In 37 Jahren ist bei mir kein einziger Azubi durch die Prüfung gefallen, auch wenn es nicht immer leicht war.“
Kultusministerium stärkt Berufsorientierung Erst im Oktober hat ein neuer Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums die berufspraktische Orientierung an allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen gestärkt und die Anzahl der Praxistage erhöht. „Die Anhebung auf insgesamt 25 Praxistage an allgemeinbildenden Schulen ist für uns ein Bekenntnis der Landesregierung zur dualen Bildung“, begrüßte Delfino Roman die Entscheidung. Auch Werner Pläging, Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik an der OBS Northeim betont die Bedeutung der praktischen Erfahrungen: „Berufsorientierung in Theorie und Praxis ist für die Schüler/-innen enorm wichtig. Nicht wenige kommen mit einer völlig veränderten Einstellung aus dem Praktikum zurück. Sie sind dann wesentlich zielstrebiger und wissen, wo es hingehen soll oder zumindest wohin nicht.“
Das Speeddating mit den Betrieben ist Teil eines Projektes zwischen der Oberschule Northeim und der Handwerkskammer. Vorangegangen waren bereits zwei weitere Einheiten mit Auszubildenden aus dem Sanitär-HeizungsKlimahandwerk, die von ihren eigenen Erfahrungen und ihrem Arbeitsalltag berichteten. „Auch in der theoretischen Berufsorientierung setzen wir auf die Einbindung von Experten aus der Praxis und versuchen so, den Schüler*innen möglichst viele Seiten aufzuzeigen“, sagt Thomas Maxellon als Initiator des Projektes. Der nächste Schritt sei nun die individuelle Beratung derjenigen Schüler/-innen, die sich für einen Einstieg ins Handwerk interessieren und dabei immer das direkte Gespräch mit den Handwerksbetrieben vor Ort, so Maxellon. Allen Handwerksbetrieben, die auf der Suche nach passenden Auszubildenden oder Praktikanten sind, steht die kostenfreie Unterstützung der Handwerkskammer zur Verfügung.
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