Northeim (r). Die Filmemacherin und Autorin Mo Asumang hat in zwei Veranstaltungen im Landkreis Northeim beeindruckende Einblicke in das Thema Rassismus gegeben. In einer Schule und einer Kultureinrichtung gab es jeweils eine Lesung, eine Filmvorführung und eine Diskussion zu dem Thema. Ein Stimmungsbericht von Eckhard Senger.
Mo Asumang sitzt auf der Bühne in den Berufsbildenden Schulen Einbeck und liest aus ihrem Buch „Mo und die Arier. Allein unter Rassisten und Neonazis". Mo ist Deutsche. Ihr Vater aus Ghana, ihre Mutter aus Deutschland. Ihre Haut ist dunkel. Auf dem Kopf hat sie schwarze Locken. Im Forum der Schule mit 340 Stühlen ist jeder Platz gefüllt. Viele mussten kommen. Wegen Politik und Religion. Manche sind aber auch freiwillig hier. Einige mussten sogar abgewiesen werden, weil es keine Plätze mehr gab.
Die Vortragende hat schon als Regisseurin, Fernsehmoderatorin, Schauspielerin, Sängerin, Synchronsprecherin und Filmproduzentin gearbeitet. In der Schule - und später auch im Kulturbahnhof in Uslar - will sie darüber berichten, wie sich Fremdenhass auf der eigenen Haut anfühlt. Eingeladen haben die Berufsbildenden Schulen Einbeck und die Kreisvolkshochschule Northeim.
Mo beschreibt in ihrem Buch, wie es ist, wenn eine Neo-Nazi-Band eine Morddrohung gegen sie verbreitet („Die Kugel ist für dich“), wie es ist, Bilder von Neonazis im Kopf oder vor Augen zu haben, wie es ist, als Taxi-Fahrerin von einem Fahrgast gewürgt zu werden, weil man keine weiße Haut hat („Ihr müsst alle wieder gehen!“).
Dann eine Filmvorführung. In ihrem Dokumentarfilm „Die Arier“ aus dem Jahr 2014 versucht Mo Asumang, während einer Demo in Wismar mit Neonazis ins Gespräch zu kommen. Einfach so. Doch die sprechen nicht mit ihr. Bei ihren Recherchen stößt sie auf den „Fünf-Punkte-Plan der NPD zur Rückführung von Ausländern“. Ihre Kontaktversuche zur Neonazi-Szene erzeugen Spuren im Netz. Man müsste sie auf eine heiße Herdplatte setzen, wird dort gehetzt. Sie fragt Burschenschaftler „Was ist deutsch?“ und „Was sind Arier?“. Die Filmemacherin macht Straßenumfragen. Dort entlarven sich Befragte durch ihre eigenen Antworten. Da wird das Geschehen unfreiwillig fast etwas komisch.
Mo Asumang befragt in ihrem Film einen Wissenschaftler. Der erläutert, dass der Begriff „Arier“ aus der Sprachwissenschaft stamme. Arier lebten danach im Iran und in Indien. Der Begriff wurde später in den Rasse-Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts zur Bezeichnung von Angehörigen bestimmter Menschengruppen übernommen. Die Filmemacherin reist in ihrem Film zu den „echten Ariern“ in den Iran. Ein Historiker erklärt ihr, dass die Auffassung der Nazis über Arier von Grund auf falsch gewesen sei. Deutsch sei nicht arisch. Und arisch hat nichts mit Rasse zu tun.
Mo reist in die USA und trifft dort auf Rassisten. Einen Internet-Radio-Macher und einen Hardliner mit Cowboyhut. Geradezu brenzlig wird die Situation, als sie nachts Angehörige des Ku-Klux-Klans trifft. Doch auch das übersteht sie, indem sie Fragen stellt. Auch dort sind manche Antworten selbstentlarvend. "Und was habe ich von der weißen Herrenrasse gelernt?“, fragt Asumang, um ein Fazit zu ziehen. „Sie glauben, wir klauen ihnen die Gene. Sie haben Angst.“
Am Schluss des Films trifft sie sich mit dem Neonazi-Aussteiger Chris. Der berichtet ihr, dass deren Ideologie „kaputt“ mache und dass er deshalb aussteige. Durch ihre Fragen erfährt er Respekt. Man spürt, dass ihm das guttut. Anführer von Neonazis und Rassisten wolle sie in Zukunft lieber der Justiz überlassen, sagt sie in einen Zwischentext. Und zum Schluss: Man müsse etwas von der eigenen Kraft abgeben.
Nach der Filmvorführung dürfen Schülerinnen und Schüler Fragen stellen. Wie sie sich beim Ku-Klux-Klan gefühlt habe, fragt ein Schüler. „Ich hatte Angst, aber ich habe Fragen gestellt und das hat geholfen“, sagt die Autorin. Auf andere Fragen erklärt sie, ihre „Strategie“: Man müsse sich „aufteilen“. Indem man zum einem auf Anti-Nazi-Demos gehe und Gesicht zeige („Große Gruppe gegen große Gruppe“). Zum anderen müsse man mit Nazis ins Gespräch kommen und dort die persönliche Seite zeigen.
Als Mo Asumang versucht, das zu erklären, löst sich die Veranstaltung schon langsam auf. Manche der Schülerinnen und Schüler müssen zum Bus, andere wollen nach der achten Stunde endlich nach Hause oder raus in die Sonne. Die stellvertretende Schulleiterin der Berufsbildenden Schulen, Dörte Kirst-Bode, sagt: „Das nächste Mal planen wir einen ganzen Tag ein.“ Das Thema liege der „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ sehr am Herzen.
Als der offizielle Teil schon vorbei ist, kommen Schülerinnen und Schüler auf die Bühne und stellen Mo Asumang noch viele persönliche Fragen, schildern ihr zum Teil schlimme Erlebnisse. Sie macht ihnen Mut und gibt ihnen Tipps, was sie (gegen Rassismus) tun können. Doch die Zeit drängt. Jetzt schnell noch ein vorher vereinbartes Interview und dann weiter zur nächsten Veranstaltung nach Uslar.
Dort kommen am Abend 32 interessierte Menschen von jung bis alt. Sie hören aufmerksam zu. Einige diskutieren rege mit. Im Kern geht es auch im Kulturbahnhof um die Frage, was man im Alltag gegen Rassismus machen kann. Mo Asumann hat mit ihrem Film und ihrem Buch Wege dazu aufgezeigt und sich selbst mutig gegen Rassismus eingesetzt.
Die Veranstaltungen fanden im Rahmen der interkulturellen Wochen statt. Auf www.kvhs-northeim.de gibt es ein Video-Interview mit Mo Asumang. Einzelheiten über ihre Aktivitäten gibt es im Internet unter http://www.die-arier.com/schultour.php.
Foto: Senger