Einbeck (zir). Sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft, die Heimat oder eine bestimmte Personengruppe zu engagieren, ohne dabei eine finanzielle Entlohnung oder eine garantierte Gegenleistung zu erwarten, erscheint für viele unvorstellbar oder gar als herausfordernde Aufgabe. Umso beeindruckender sind Menschen, die einen großen Teil ihrer Freizeit diesem Engagement widmen und ihre Arbeit aus Leidenschaft statt aus materiellen Gründen verrichten. Ein herausragendes Beispiel für solches Engagement ist Jan Störmer aus Einbeck.
Eine engagierte Familie
Schon von klein auf war der Alltag von Störmer geprägt von den ehrenamtlichen Tätigkeiten seiner Eltern, die sich vor allem in verschiedenen Vereinen engagierten. Die Mutter, so Störmer, war als Vorsitzende beim Roten Kreuz und im Posaunenchor tätig, der Vater als Ortsbrandmeister bei der Feuerwehr. Dass seine eigene Ehrenamtskarriere früher oder später beginnen würde, sah Störmer als unausweichlich an. „Und dann bin ich irgendwann zufällig ins Jugendrotkreuz gerutscht, als ein Freund mich zu einem Treffen der damals neu gegründeten Gruppe mitnahm. Das muss wohl so gut gewesen sein, dass ich immer noch dabei bin“, sagt Störmer lachend.
Mit den Jahren engagierte sich der Einbecker immer mehr in verschiedenen Organisationen und übernahm bald einige Ämter, wie die Leitung des Jugendrotkreuzes, den Vorsitz des DRK-Ortsvereins, das Amt des Zugführers in der DRK-Bereitschaft, die Präsidentschaft der Gesellschaft der Karnevalsfreunde e.V. Einbeck sowie einige Jahre den Vorsitz des Stadtjugendrings. „Und dazu kommt noch mein normaler, hauptamtlicher Job im Haus des Jugendrotkreuzes“, fügt Störmer hinzu. Wo aber bleibt da die Freizeit, und wie hält Störmer all seine Ämter auseinander? „Mein Chef unterstützt mich bei meinen Ehrenämtern, sodass ich auch mal „zwischendurch“ einen Termin war nehmen kann. Dafür bin ich sehr dankbar! Die Freizeit nehme ich mir immer dann, wenn ich selber eine kleine Auszeit brauche.“
Die Vorteile und Schwierigkeiten des Ehrenamts
Fünf Ämter und dazu Mitarbeiter im Haus des Jugendrotkreuzes – dass das auf Dauer anstrengend sein kann, ist nachvollziehbar. Woher nimmt Störmer also seine Motivation, ständig am Ball zu bleiben? „Es sind die kleinen Dinge, die mich motivieren, immer weiterzumachen“, erklärt der Einbecker und nennt als Beispiel den Moment, wenn Kinder nach einer Woche Sommerfreizeit unter Tränen in seinen Armen liegen und sagen: „Das war eine geile Zeit.“ „Manchmal sind es aber auch die Eltern, die sich im Anschluss melden und sich dafür bedanken, dass ihre Kinder auf der Ferienfreizeit Spaß hatten“, so Störmer weiter. „Es sind aber auch kleinere Dinge, wie die Begleitung bei einem Lebensabschnitt – wenn Jugendliche einen Beruf erlernen und man selbst dann zur Freisprechung eingeladen wird“, nennt er als weiteres Beispiel. „Man muss aber auch sagen, dass dieser Ruhm nicht allein mir gebührt. Ohne mein Team wären solche Erfolge nicht möglich.“
Dass Störmer bei all dem ehrenamtlichen Engagement auch vor Herausforderungen steht, gibt er ebenfalls zu. „Die Herausforderungen haben sich über die Jahre stark gewandelt. Die Menschen sind zum Beispiel viel sensibler geworden, da hilft dann nur noch Kommunikation – wie etwa, wenn es um Kindeswohlgefährdung geht.“ Um diese Kommunikation richtig zu führen, holt sich der Vorsitzende des DRK-Ortsvereins Tipps von seinen Kollegen, aber auch von Freunden und Bekannten, die ebenfalls in ähnlichen Tätigkeitsbereichen beschäftigt sind. „Die Netzwerkarbeit hilft mir in solchen Situationen sehr. Es ist schon beruhigend zu wissen, an wen ich mich wenden kann“, erklärt der Einbecker und erwähnt einen Freund in Hannover, bei dem er sich gerne eine Meinung zu seinen eigenen Entscheidungen einholt oder den er um Rat bittet.
„Ein Netzwerk zu haben, ist in einer Kleinstadt wie Einbeck besonders wichtig“, sagt Jan Störmer. Wenn er eines gelernt hat, dann, dass man allein nichts erreicht. „Gerade wenn etwas benötigt wird – sei es eine Hüpfburg oder ein Catering für eine Veranstaltung – ist es wichtig zu wissen, wo man die Dinge herbekommt. Natürlich sind wir auch eine Anlaufstelle für andere Organisationen und ihre Belange. Deshalb ist es auch immer wieder wichtig, auf Veranstaltungen oder Treffen anwesend zu sein und diese Netzwerke zu pflegen.“
Rückblick: Ehrenamt mit Erfolg
Rückblickend auf die vergangenen Jahre denkt Störmer gerne an die Ferienfreizeiten zurück und erklärt: „Das sind ganz intensive Zeiten, in denen man die Personen, mit denen man sich auf die Freizeit begibt, besser kennenlernt und aus denen man auch viel Energie und Motivation schöpft.“ Auch verschiedene Wettbewerbe sind ihm stets in Erinnerung geblieben. Mit dem Schulsanitätsdienst der Goetheschule, den er zusammen mit einer Gruppenleiterin des Jugendrotkreuzes betreut, gelang es in den Jahren 2017, 2019 und 2023, Landessieger bei den Wettbewerben des Jugendrotkreuzes Niedersachsen zu werden. „Und dieses Jahr ging es wieder zum Landeswettbewerb“, freut sich der Leiter des Jugendrotkreuzes und fügt hinzu, dass diese Events besonders Spaß machen, weil die Kinder aktiv mitmachen und Ehrgeiz zeigen. Auch beim Karneval denkt er gerne an besondere Momente zurück, so zum Beispiel an das Jahr 2020, als er das erste Mal als Sitzungspräsident teilnahm: „Das war für mich das Mega-Ereignis.“ Ein „absolutes Highlight“ war auch die Verleihung des höchsten Verdienstordens im Karneval an jemanden, der 55 Jahre lang auf der Bühne stand, als Jan noch Vizepräsident im Karneval-Landesverband war. „Die Ehre, das machen zu dürfen, und die Wertschätzung, die dem Künstler entgegengebracht wurde – das war ein tolles Gefühl“, beschreibt Störmer die Situation. Aber nicht alle Erinnerungen an seine Ehrenamtskarriere seien schön gewesen: „Wir mussten uns von einigen Leuten verabschieden, die eigentlich noch viele Jahre vor sich gehabt hätten. In solchen Situationen war und bin ich froh, eine Gemeinschaft um mich zu haben, mit der ich gemeinsam trauern und an die verstorbenen Personen gedenken kann.“
Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist die Hochwassersituation zur Weihnachtszeit 2023, die Jan als „beängstigend“ bezeichnet. Störmer war von den Überschwemmungen selbst betroffen, wenn auch bei weitem nicht so sehr wie in anderen Bereichen der Stadt: Während seiner ehrenamtlichen Dienstzeit legte der Einbecker einen kurzen Zwischenstopp bei sich zu Hause ein und bemerkte dabei, dass der Wasserstand des Baches vor seiner Haustür extrem gestiegen ist und davor war, über das Ufer zu treten. „Da ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Auch wenn nichts Schlimmes passiert ist, war mir bei der Sache doch ganz mulmig“, berichtet Störmer. „Ich konnte dennoch etwas Positives aus der Naturkatastrophe gewinnen“, erklärt er und weist auf sein Mitwirken im Krisenstab hin, bei dem er einiges über Einbeck und Salzderhelden lernte. Als „absolut großartig“ empfand er die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Hilfsorganisationen: „Die vielen Gespräche, die vielen Diskussionen – alle auf Augenhöhe zwischen Stadt, Haupt- und Ehrenamtlichen – alles hat uns im Endeffekt näher zusammengerückt und unsere Zusammenarbeit gestärkt. Das waren sehr besondere Momente.“
Ehrenamt und Einbeck
Das Ehrenamt hat laut Störmer einen positiven Einfluss auf die Gemeinschaft in Einbeck. Viele, die wegen einer Ausbildung oder des Berufs aus der Stadt ziehen, kehren teilweise mit langer Anreise für die Teilnahme am Vereinsleben in ihre Heimat zurück. „Die Jugendleiterin im Karneval beispielsweise kommt selbst für Kleinigkeiten aus Bochum hierher. Einfach, weil sie Spaß am Vereinsleben hat. Davor ziehe ich meinen Hut“, lobt der Präsident der Einbecker Karnevalsfreunde. „Ehrenamt bringt eben etwas, nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Menschen um einen herum. Wenn es in Einbeck keine ehrenamtlichen Organisationen gäbe, wäre es um die Stadt schlecht bestellt. Das fängt schon bei den Hilfsorganisationen wie Feuerwehr, Rotes Kreuz, Johanniter und THW an – ohne die wäre Einbeck in der Hochwassersituation letztes Jahr ziemlich aufgeschmissen gewesen. Aber auch Vereine wie der Karnevalsverein, der Einbecker Sportverein und andere: Jeder einzelne Verein stellt eine Säule der Gemeinschaft in Einbeck dar.“ Leider, so Störmer, wissen viele nicht mehr um die Bedeutung eines Vereins, weshalb es von Jahr zu Jahr immer weniger neue Mitglieder gibt. Dabei müsse man nicht einmal selbst aktiv am Vereinsleben teilnehmen – eine finanzielle Hilfe durch einen Förderbeitrag reiche schon völlig aus, um einen Verein am Leben zu halten und dessen Tätigkeiten zu unterstützen. Und wenn man doch aktiv werden will? „Dann einfach vorbeikommen, ein, zwei Gruppentreffen mitmachen, und dann kann man immer noch entscheiden, ob das etwas für einen ist oder nicht“, so Störmer. „Man findet immer etwas, das zu einem passt. Wenn man beim Karnevalsverein beispielsweise ungern auf die Bühne will, finden wir auch eine passende Aufgabe hinter der Bühne.“
Dass viele nicht mehr wissen, welche Bedeutung ein Verein für die Gemeinschaft hat, spiegele sich auch im Wandel von Generation zu Generation wider. Störmer bemerkt eine stärkere Ich-Bezogenheit bei der heutigen Jugend, bei der es immer wieder zu betonen gilt, dass es neben dem „Ich“ auch ein „Wir“ gibt. Auch Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit hätten stark nachgelassen: „Wenn man beispielsweise eine Abstimmung in die WhatsApp-Gruppe stellt, muss man die Gruppenmitglieder meist mehrmals daran erinnern, abzustimmen, weil innerhalb der ersten zwei Tage nichts geschehen ist“, erklärt der Leiter des Jugendrotkreuzes. Deswegen müsse man die Leute heutzutage viel mehr abholen, als es früher der Fall war. „Ich will damit nicht sagen, dass die Ehrenamtlichen um mich herum heute schlechter sind – es geht einfach darum, dass sich die Ehrenamtsarbeit an sich in den letzten Jahren gewandelt hat und man sich darauf einstellen muss, damit es weitergeht.“
Doch warum eigentlich?
„Das, was ich mache, mache ich von Herzen gern. Ich mache das nicht, um irgendwelche Orden und Ehrenzeichen zu bekommen, sondern um der Gemeinschaft etwas zurückzugeben. Und solange die Kraft und die Energie da sind, werde ich mich auch weiterhin ehrenamtlich engagieren“, sagt Jan Störmer abschließend.
Foto: zir