Hannover (red). Der Niedersächsische Landtag hat in der heutigen Plenarsitzung das vom Land selbst entwickelte Grundsteuergesetz verabschiedet. Der Niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers erklärte dazu: „Dieser Beschluss ist der Schlussstein eines sorgfältigen Abwägungs- und Entscheidungsprozesses. Ich habe lange dafür geworben, eine Alternative zum Modell des Bundes zu finden. Niedersachsen hat nun ein eigenes Gesetz, das einfach und gerecht ist und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.“
Niedersachsen ist damit das zweite Bundesland nach Baden-Württemberg, das vom Modell des Bundes abweicht und ein eigenes Grundsteuergesetz hat.
Das Flächen-Lage-Modell ist leicht umsetzbar und enthält keine streitanfälligen Determinanten. Gegenüber dem verkehrswertorientierten Bundesmodell bietet das Flächen-Lage-Modell insbesondere den Vorteil, dass es mit nur noch einer einmaligen Hauptfeststellung für die ca. 3,6 Millionen zu bewertenden Grundstücke in Niedersachsen leichter zu verwalten ist als das Bundesmodell, das regelmäßig weitere Hauptfeststellungen im 7-Jahre-Rhythmus benötigt. Nur bei gravierenden Änderungen der Lageverhältnisse, die automatisiert von der Verwaltung überprüft werden, kommt es im Flächen-Lage-Modell zu neuen Steuerbescheiden in den betroffenen Gebieten. Insgesamt bedeutet dies also erhebliche Einsparung von Personal- und Verwaltungskosten.
Für die Bürgerinnen und Bürger hat dieses Modell – anders als das Gesetz des Bundes – den Vorteil, dass sie nur eine Erklärung abgeben müssen. Diese Erklärung besteht aus wenigen Angaben zu den Flächengrößen und der Nutzung. Den Rest übernimmt die Verwaltung.
Anders als bei der reinen Orientierung an der Fläche bezieht dieses Modell auch die Lage des Grundstücks mit ein. Dieser Faktor muss angemessen berücksichtigt werden, denn die Gemeinde bietet dem Grundbesitzer typischerweise in guter Lage mehr und in mäßiger Lage weniger Nutzen, z.B. in Gestalt unterschiedlich langer oder kurzer Wege, der Erreichbarkeit kommunaler Dienste und der Nutzungs- und Lebensqualität. Als Indikator für die Lage werden die flächendeckend für Bauflächen vorhandenen Bodenrichtwerte für das jeweilige Grundstück genutzt. Der Bodenrichtwert des Grundstücks wird mit dem Gemeindedurchschnitt verglichen.
Mit dieser Relation wird das „Besser“ oder „weniger gut“ der Lagen messbar gemacht. Die Lage-Faktoren sorgen dafür, dass der Gedanke der Nutzen-Äquivalenz zum Tragen kommt. Sie spiegeln nicht den Wert der Bebauung wider, sondern die Teilhabe an der Kommune und deren Nutzungsangebot vermittelt durch den Grundbesitz in der jeweiligen Lage.
Da es im Gegensatz zum Verkehrswert-Modell also nicht auf die absolute Höhe der Werte ankommt, sondern auf das Verhältnis, wird der Faktor angemessen gedämpft. Im Ergebnis entsteht ein moderater Zu- oder Abschlag. Beispiel: Der doppelt so hohe Bodenrichtwert im Vergleich zum Durchschnitt führt zu einem Zuschlag von 20 Prozent. Das ergibt einen Lage-Faktor von 1,2.
Der jeweilige Lage-Faktor ergibt sich zukünftig direkt aus den Regelungen im Niedersächsischen Grundsteuergesetz. Die niedersächsische Finanzverwaltung wird lediglich die – einfache – Berechnung dieser Lage-Faktoren durchführen; das Ergebnis fließt automatisch in die Steuerberechnung ein. Für die Bürgerinnen und Bürger wirdl ein „Grundsteuer-Viewer“ zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Kartendarstellung im Internet, aus der die Flächen und Faktoren ersichtlich sein werden. Er macht das Verfahren transparent und ist eine Ausfüllhilfe für die Flächenangaben.
Mit dem neuen Gesetz wird es nicht zu einer strukturellen Erhöhung des Aufkommens der Grundsteuer kommen. Dem dient die sogenannte „Transparenzregelung“, die auf Wunsch von Finanzminister Hilbers in das Gesetz aufgenommen wurde. Diese Regelung verpflichtet die Gemeinde, das Grundsteueraufkommen nach altem und neuem Recht gegenüberzustellen und einen aufkommensneutralen Hebesatz darzulegen. Die Abweichung von diesem Hebesatz muss die Gemeinde in geeigneter Weise veröffentlichen.
„Es ist der Koalition gelungen, die Interessen aller Beteiligten angemessen zu berücksichtigen. Die Bürgerinnen und Bürger haben wenig Aufwand, die Steuer ist einfach und gerecht, den Kommunen geben wir Planungssicherheit in finanzieller Hinsicht und der Verwaltungsaufwand hält sich im Vergleich zum Gesetz des Bundes in einem vernünftigen Rahmen.“ erklärte Finanzminister Hilbers abschließend. Neben Niedersachsen planen weitere Bundesländer die Öffnungsklausel zu nutzen: Bayern bevorzugt ein reines Flächen-Modell, Hamburg und Hessen haben sich wie Niedersachsen für ein Flächen-Modell entschieden, das um eine Lage-Komponente erweitert wird.
Zum Hintergrund
Die Grundsteuer hat für die kommunalen Haushalte eine enorme Bedeutung. Nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stellt die Grundsteuer die drittgrößte Einnahmequelle der Kommunen dar. Allein in Niedersachsen belief sich das Grundsteueraufkommen im Jahr 2020 auf insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro, bundesweit auf rund 14 Milliarden Euro.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuer für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung erklärt hat, musste der Gesetzgeber die Grundsteuer reformieren, um das Aufkommen für die Kommunen zu sichern und die Neuregelungsfrist des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten. Ab dem 01.01.2025 kann die Grundsteuer nur noch nach neuem Recht erhoben werden. Dafür hat der Bund ein komplexes Modell entwickelt, das dem alten Recht ähnlich ist. Er hat zugleich den Ländern die Möglichkeit gegeben, eigenes Landesrecht für die Grundsteuer zu schaffen.
Das Bundesgesetz knüpft wie das bisherige Recht weiterhin am Verkehrswert der Grundstücke an. Dadurch, dass dieser Wert für jedes einzelne Grundstück erst ermittelt werden muss, ist das Gesetz notwendigerweise sehr aufwändig, kleinteilig, intransparent und kompliziert ausgestaltet. Um dies abzumildern, wurden umfangreiche Typisierungen und Vergröberungen vorgenommen, was wiederum das Risiko in sich birgt, vom Bundesverfassungsgericht erneut als verfassungswidrig verworfen zu werden.
Nicht zuletzt werden die Bürgerinnen und Bürger die einzelnen, komplexen Berechnungsschritte nur schwer nachvollziehen können. Um diesen Erschwernissen auszuweichen, sind alternative Modelle entwickelt worden. Sie sind möglich und zulässig, denn nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ist der Gesetzgeber nicht gezwungen, die Bemessung der Grundsteuer wertabhängig auszugestalten.
Möglich ist – und so hat sich Bayern entschieden – z.B. ein reines Flächen-Modell. Die Belastung mit Grundsteuer wird hier nicht nach dem Wert des Grundstücks verteilt, sondern nach dem Nutzen, den die Grundstücksbesitzer daraus ziehen können, dass sie in der jeweiligen Gemeinde ihr Objekt innehaben. Dieser Nutzen (das Äquivalent) wird in Bayern künftig allein nach der Fläche bemessen.
Das Flächen-Modell nimmt die Größe des Grundstücks und des Gebäudes – also die Fläche - zum Maßstab. Das Modell ist sehr einfach und gut nachvollziehbar. Seine Schwäche liegt darin, dass für Grundstücke derselben Größe in derselben Gemeinde dieselbe Grundsteuer erhoben wird – egal, ob sich das Objekt in allerbester oder in mäßiger Lage befindet. Deshalb hat das Niedersächsische Finanzministerium das reine Flächen-Modell zu einem verfeinerten Flächen-Lage-Modell weiterentwickelt.