Kreis Northeim (r). Aufgrund der geringen Neuinfektionen wird der Corona-Lockdown bundesweit nach und nach zurückgefahren. Darüber, in welcher Form das erfolgen sollte, gibt es derzeit kontroverse Diskussionen.
Denn die Folgen des Lock-Downs führen nach wie vor zu hohen Einnahmeverlusten in der gesamten Wirtschaft. Schulkinder sitzen im für alle belastenden Homeschooling zuhause und die gesamte Freizeitgestaltung ist weiterhin stark eingeschränkt. Deshalb ist die Sehnsucht nach der Rückkehr zu einem normalen Alltag sehr hoch.
Dr. Regina Pabst, Leiterin der Gesundheitsdienste beim Landkreis Northeim, warnt allerdings davor, die notwendigen Abstands- und Hygieneregeln jetzt zu vernachlässigen: „Die aktuellen Infektionsausbrüche in einem Restaurant und einer Kirche mit vielen Erkrankten führen uns deutlich vor Augen, wie schnell sich das Virus innerhalb von Gruppen ausbreiten kann. Dabei drängen sich auch Erinnerungen an die Bar in Ischgl auf.“ Im Tiroler Skiort Ischgl hatten sich unzählige Touristen mit dem Corona-Virus infiziert, unter anderem war dort ein deutscher Barkeeper an Corona erkrankt.
Bislang ist der Landkreis Northeim weniger stark von COVID-19 betroffen als viele andere Landkreise. Dies ist auch auf die konsequente Nachverfolgung der Kontakte infizierter Personen und die Durchsetzung der vorgesehenen Quarantänemaßnahmen durch die Gesundheitsdienste zurückzuführen. Und natürlich auf die Disziplin der Bevölkerung, die die Vorgaben des Lock-Downs konsequent einhalten.
Die Befürchtung, die Infektionen würden, wie etwa im Landkreis Göttingen, zeitnah viele Alten- und Pflegeheime betreffen und dort zu einer größeren Anzahl an Schwerkranken und Todesfällen führen, ist bisher erfreulicherweise nicht eingetreten. Im Landkreis Northeim war bislang lediglich eine Senioreneinrichtung von COVID-19 betroffen. Durch zügiges Handeln und eine sehr gute Kooperation der Einrichtung mit den Gesundheitsdiensten konnte der Ausbruch bereits in seiner Frühphase eingedämmt werden, so dass insgesamt nur sechs Personen betroffen waren.
Allerdings befinden sich unter den bisher 123 Covid-19-Infektionen im Landkreis Northeim auch fünf Todesfälle (Stand: 29. Mai), was die tatsächliche Bedrohung durch die Erkrankung deutlich macht. Gerade für ältere Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen ist die Gefahr groß, aber auch gesunde Personen und sogar Kinder können schwer erkranken.
Bislang wurden die Kapazitäten der Akut-Krankenhäuser im Landkreis nur zu einem relativ geringen Anteil durch Corona-Patienten in Anspruch genommen. Für alle schwer erkrankten Personen konnte eine optimale Behandlung im Krankenhaus gewährleistet werden.
„Durch die inzwischen gelockerten gesetzlichen Vorgaben ist ein Anstieg der Infektionen wahrscheinlich. Wenn die Zahl der Neuansteckungen, auch durch lokale Ausbrüche, aber zu schnell steigt, könnten auch die Krankenhäuser in unserem Landkreis an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen,“ gibt Dr. Regina Pabst zu bedenken.
Auch wenn es sich so anfühlt, als wäre mit den wochenlangen Entbehrungen durch den Lock-Down bereits ein Großteil der Pandemiebekämpfung erledigt, stehen wir nach wie vor am Anfang der Pandemie. Die Leiterin der Gesundheitsdienste geht davon aus, dass erst zwei Prozent der deutschen Bevölkerung eine Immunität gegen das Corona-Virus aufweisen. Neue, auch größere Ausbrüche, sind deshalb jederzeit und überall möglich.
Auch Landrätin Astrid Klinkert-Kittel richtet deshalb einen dringenden Appell an die Menschen im Landkreis Northeim: „Damit uns nicht eine Welle an Neuinfektionen überrollt, die dann unsere Gesundheitsdienste und Krankenhäuser an die Grenze der Kapazitäten bringt, müssen wir alle weiterhin privat und öffentlich konsequent die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Das sind wir auch den Gewerbetreibenden schuldig, damit kein erneuter totaler Lock-Down erforderlich wird.“
Laut einer Schätzung von Professor Christian Drosten, Leiter des Referenzlabors für Coronaviren der Charité, ist der Schutz vor der Infektion zu rund 90 % jeweils zur Hälfte durch die Wahrung des Abstands und das Tragen eines Mund- Nase-Schutzes zu erzielen, rund 10 % Risikoreduktion sind durch die sorgfältige Händehygiene erreichbar. Dies zeigt, dass man einen Verzicht auf den persönlichen Abstand oder das Tragen der Masken nicht durch eine besonders intensive Händehygiene wettmachen kann. Aufenthalte im Freien sind grundsätzlich mit einem deutlich geringeren Infektionsrisiko verbunden, als Veranstaltungen in geschlossenen Räumen.
Bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, werden wir uns noch sehr lange gedulden müssen. Dr. Regina Pabst geht davon aus, dass es noch zwölf bis achtzehn Monate dauern wird und stellt dabei klar, dass eine Impfpflicht derzeit nicht im Gespräch ist. Dennoch sei davon auszugehen, dass es zu Beginn einen großen Ansturm auf die Impfungen geben wird.
Gemeinsam mit Landrätin Astrid Klinkert-Kittel bittet sie deshalb alle Bürgerinnen und Bürger, sich die Eigenverantwortung an der Bekämpfung der Pandemie bewusst zu machen und auch dann verantwortungsvoll zu handeln, wenn Polizei und Ordnungsamt nicht hinsehen. „Mit den einfachen und wirksamen Maßnahmen Abstandhalten, Gesichtsbedeckung tragen und Händehygiene schützen wir uns selbst, unsere Familien, Freunde und Mitmenschen. Machen Sie mit.“
Foto: Landkreis Northeim